von Melanie Stühler

Frustrationstoleranz - beim Menschen

Nichts in der Welt kann Beharrlichkeit ersetzen.

Calvin Coolidge

Wir hören und lesen ständig über die Frustrationstoleranz beim Hund und wie man an ihr arbeitet. Doch ich erlebe täglich, dass es vor allem ein Thema beim Menschen ist. Viele Hundebesitzer kommen mit einer klaren Erwartung ins Training: Der Hund soll schnell lernen – am besten nach zwei Übungseinheiten. Doch genau hier liegt das Problem.

Der Mensch möchte lieber anwenden als beibringen. Doch beibringen kann ich nur, was ich selbst gut vermitteln kann – körpersprachlich, vom Timing her etc. Wenn ich selbst noch Anfänger bin, muss ich das alles erst lernen. Und jeder, der schon mal etwas Neues gelernt hat, weiß, dass das nicht immer ein Spaziergang ist.

„Er macht das doch mit Ihnen!“

Ja, das tut er – weil ich konsequent trainiere, kleinschrittig aufbaue und dem Hund die Möglichkeit gebe, zu verstehen. Ein Hund kann nicht in zwei Trainingseinheiten lernen, was wochenlange Wiederholung braucht. Das gilt übrigens genauso für Menschen. Viele meiner Kunden brauchen ebenfalls ständige Erinnerung daran, worauf sie achten müssen. Meine eigene Frustrationstoleranz muss im Umgang mit Menschen übrigens deutlich höher sein als im Training mit Hunden…

Ein weiteres Problem: Viele Menschen erwarten, dass ihr Hund unklare Signale und widersprüchliche Körpersprache von selbst richtig interpretiert. Dabei vergessen wir, dass klare und eindeutige Kommunikation der Schlüssel zum Erfolg ist. Wenn wir selbst nicht wissen, was wir vermitteln – wie soll es dann unser Hund verstehen?
Wer erwartet, dass sein Hund nach wenigen Versuchen perfekt funktioniert, wird enttäuscht sein. Es ist, als würde man nach dreimal Treppensteigen erwarten, plötzlich fünf Kilo abgenommen zu haben. So funktioniert es nicht – weder bei uns noch bei unseren Hunden.

Wer sich aber auf den Prozess einlässt, Geduld mitbringt und an seiner eigenen Frustrationstoleranz arbeitet, wird nicht nur eine bessere Bindung zu seinem Hund aufbauen, sondern auch langfristig mehr Erfolg haben.
Wer Teamarbeit mit seinem Hund möchte, muss sich auch als Teil des Teams verstehen. Vielleicht sollten wir uns im Training öfter fragen: Bin ich bereit, genauso konsequent an mir selbst zu arbeiten wie an meinem Hund?

Geduld ist das Schwerste und das Einzige, was zu lernen sich lohnt.

Marie von Ebner-Eschenbach

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